Berlin. Der Bundestag berät heute in erster Lesung über den Entwurf für das
Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an
Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf hat das Ziel, den
Anteil von Frauen in den Führungsgremien von Wirtschaft und Verwaltung
wesentlich zu erhöhen.
Der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen in
Deutschland beträgt laut Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) 18,4 Prozent. In den Vorständen dieser
Unternehmen sind nur 5,4 Prozent Frauen. Die Einführung einer gesetzlichen
Quote ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu tatsächlicher
Chancengleichheit von Frauen und Männern und wird zu einem Wandel in der
Wirtschafts- und Arbeitswelt beitragen.
Gesetzentwurf zur Frauenquote im Bundestag
Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig: „Seit 20 Jahren garantiert das Grundgesetz in Art. 3 die gleichberechtigte
Teilhabe von Männern und Frauen. Sie ist aber nicht Lebensrealität. Solange
Gleichberechtigung nicht verwirklicht ist, brauchen wir Gesetze, die sie
voranbringen.
Jetzt machen wir ernst – und sorgen mit der Quote für mehr Chancengleichheit
für Frauen und Männer. Darüber hinaus wird dieses Gesetz einen Kulturwandel
in der Arbeitswelt einleiten. Wenn es an der Spitze eines Unternehmens keine
Gleichberechtigung gibt, wird es auf den übrigen Ebenen auch nicht
gleichberechtigt zugehen. Sobald es aber mehr Frauen in Führungspositionen
gibt, werden gleiche Chancen in den Unternehmen insgesamt
selbstverständlicher werden.“
Bundesjustizminister Heiko Maas: „Jahrelang hat man auf freundliche Appelle und gutgemeinte Selbstverpflichtungen gesetzt. Die Bilanz dieser Politik ist ernüchternd.
Die Geduld ist erschöpft, die Zeit der Appelle ist vorbei.
Förderung von Frauen in Führungspositionen
Die Frauenquote kommt – und zwar ohne Ausnahmen. Den Vorwand, es gäbe nicht
genug qualifizierte Frauen, lassen wir nicht gelten. Denn: Noch nie waren so
viele Frauen so gut ausgebildet wie heute. Deshalb bin ich sicher, dass am
Ende kein einziger Sitz in den Aufsichtsräten frei bleiben wird. Frauen sind
ein Gewinn für die Wirtschaft. Die Quote wird Strukturen aufbrechen und die
Unternehmenskultur verbessern. Mehr Frauen in Führungspositionen werden
andere Frauen nachziehen. Es wird mehr Frauen auf allen Hierarchieebenen
geben.“
Der Gesetzentwurf sieht für den Bereich der Privatwirtschaft im Wesentlichen
folgende Regelungen vor: Für Aufsichtsräte von Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, gilt künftig eine Geschlechterquote von 30 Prozent.
Die Quotenregelung greift damit bei Aktiengesellschaften und
Kommanditgesellschaften auf Aktien mit in der Regel mehr als 2000
Arbeitnehmern sowie bei Europäischen Aktiengesellschaften (SE), bei denen
sich das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus derselben Zahl von
Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt. Insgesamt betroffen
sind derzeit rund 100 Unternehmen.
Sie müssen die Quote ab 2016 sukzessiv für die dann neu zu besetzenden
Aufsichtsratsposten beachten. Bei Nichterfüllung ist die quotenwidrige Wahl
nichtig. Die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze
bleiben rechtlich unbesetzt („leerer Stuhl“).
Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, werden
verpflichtet, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten,
Vorständen und obersten Management-Ebenen festzulegen. Über die Zielgrößen
und deren Erreichung müssen sie öffentlich berichten. Der Kreis der
betroffenen Unternehmen erfasst neben Aktiengesellschaften und
Kommanditgesellschaften auf Aktien auch GmbHs, eingetragene Genossenschaften
und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit in der Regel mehr als 500
Arbeitnehmern. In der Summe unterliegen etwa 3500 Unternehmen der
Zielgrößenverpflichtung.
Eine Mindestzielgröße ist nicht vorgesehen. Die Unternehmen können sie
selbst setzen und sich an ihren Strukturen ausrichten. Dabei sind folgende
Vorgaben zu beachten: Liegt der Frauenanteil in einer Führungsebene unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen nicht hinter dem tatsächlichen Status Quo
zurückbleiben.
Die in 2015 erstmals festzulegende Frist zur Erreichung der Zielgrößen darf
nicht länger als zwei Jahre sein. Die folgenden Fristen dürfen nicht länger
als fünf Jahre sein.
Für den öffentlichen Dienst enthält der Gesetzentwurf folgende Regelungen: Damit der Bund mit gutem Beispiel vorangeht, wird das Bundesgremienbesetzungsgesetz mit dem Ziel der paritätischen Vertretung von Frauen und Männern in Gremien novelliert, deren Mitglieder der Bund bestimmen kann. Für die Besetzung von Aufsichtsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen, gilt ab 2016 eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für alle Neubesetzungen dieser Sitze.
Ab dem Jahr 2018 ist es Ziel, diesen Anteil auf
50 Prozent zu erhöhen. Für wesentliche Gremien, in die der Bund Mitglieder
entsendet, gilt das gleiche Ziel. Zur Erhöhung des Frauenanteils an Führungspositionen im öffentlichen Dienst
des Bundes sowie zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und
Berufstätigkeit wird zudem das Bundesgleichstellungsgesetz umfassend
novelliert.
Die Bundesverwaltung wird künftig insbesondere verpflichtet, sich für jede
Führungsebene konkrete Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauen- beziehungsweise
Männeranteils zu setzen. Zielvorgaben und Maßnahmen sind im
Gleichstellungsplan der jeweiligen Dienststelle darzustellen.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Kontakt: poststelle@bmfsfj.bund.de
FidAR begrüsst Entscheidung zur Frauenquote: „Ein zähes Ringen geht zuende“
„Ein zähes Ringen ist zu Ende. Wir werden alle Kraft dafür benötigen, dass in den Unternehmen aus dem Teilhabegesetz eine Erfolgsgeschichte wird“, betont FidAR-Präsidentin Monika Schulz-Strelow. „Auf dem Tisch liegt ein guter Rahmen – für manche zu wenig, für andere zu viel. Für uns ist entscheidend, dass jetzt nicht mehr diskutiert, sondern gehandelt wird. Insbesondere für Unternehmen, die bislang noch keine Frauen im Aufsichtsrat haben, gibt es jetzt viel zu tun! Die Politik darf jetzt nicht erschöpft zurücksinken. Dieser Kabinettsbeschluss ist erst der Anfang, der Kulturwandel muss jetzt beginnen. Auf die Bundesregierung wartet auch noch der europäische Gesetzesentwurf für eine Mindestquote von Frauen in Führungspositionen, den Deutschland bisher blockiert hat.“
„Kurz vor Weihnachten muss es erlaubt sein, den Akteuren einen Wunsch mit auf den Weg zu geben“, so Schulz-Strelow: „Wichtig wäre, dass die Medien weiterhin sachlich die Diskussion begleiten. Nur über eine kritische und gut informierte Öffentlichkeit lassen sich solche Zukunftsfragen angehen. Die Gewerkschaften sollten den Kulturwandel in ihren eigenen Reihen voranbringen und in den Unternehmen aktiv unterstützen, indem sie dafür sorgen, dass mehr Frauen auf die Arbeitnehmerbänke der Aufsichtsräte kommen. Viele Manager, mit denen wir in den letzten Wochen diskutiert haben, sollten ihre eigene Position überdenken und sich von überkommenen Stereotypen trennen. Die Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft sollten sich stärker bewusst machen, dass sie eine Vorbildfunktion einnehmen und sich noch besser positionieren müssen.“
Positiv sieht FidAR die nachträgliche Aufnahme der Europäischen Aktiengesellschaft in den Geltungsbereich des Gesetzes. „Es ist gut, dass für die SE kein Schlupfloch geschaffen wurde“, erklärt Schulz-Strelow. „Es wäre nur schwer vermittelbar gewesen, Konzerne wie die BASF SE außen vor zu lassen. Schon jetzt ist der Kreis der börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen, für die eine starre Quote bei Neubesetzungen von 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten gelten wird, mit ca. 100 sehr überschaubar.“